Die ersten Erfahrungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht macht der Mensch bereits im frühen Kindesalter. Kinder beobachten die Beziehung zwischen Vater und Mutter, nehmen das Gesehene auf wie ein Schwamm, bilden ihre Vorstellung davon, wie eine Familie sein sollte, und bauen dann auf dieser Grundlage ihre eigenen Beziehungen zu einem Partner auf. Warum das so ist, wollen wir hier besprechen.
Diese vertraute Liebe
Praktizierende Psychologen sind sich einig, dass die Elternbilder eine Schlüsselrolle bei der Wahl des Lebenspartners spielen. Nach der Bindungstheorie von J. Bowlby bilden die Beziehungen in der Herkunftsfamilie die Grundlage unseres Verständnisses und unserer Vorstellung von engen Beziehungen im Erwachsenenalter. Emotionale Reaktionen und das Bild eines zuverlässigen, sicheren Partners werden schon im Säuglings- und frühen Kindesalter geprägt. Wächst ein Kind in einem gesunden, harmonischen Umfeld auf, in dem sich Vater und Mutter gleichermaßen um es und einander kümmern, sucht es im Erwachsenenalter einen Partner, der Liebe zeigen kann und sich nicht scheut, diese zu äußern. Und umgekehrt: Wer in einem ungesunden Umfeld, unter moralischem oder gar körperlichem Druck aufwächst, wählt oft einen Lebenspartner, der die ihm aus der Kindheit vertraute Atmosphäre nachbildet. Ein Beispiel: Töchter kühler, distanzierter Väter suchen sich meist Männer aus, die kein Interesse an ihnen haben.
Zwei Extreme: Distanz und Überbehütung
Wenn ein oder beide Elternteile sich emotional von ihrem Kind distanzieren, fügen sie der Psyche großen Schaden zu und schaffen einen günstigen Nährboden für die Entwicklung von Komplexen. Solche Kinder sehnen sich im Erwachsenenalter verzweifelt nach Wärme und Unterstützung von ihrem Partner, zeigen aber oft selbst die gewohnte Distanz zu ihm. Innerlich sind sie pathologisch empfindlich für Emotionen, wissen aber nicht, wie sie diese zeigen sollen, und bemühen sich, Distanz zu wahren.
Menschen, die unter emotionaler Vernachlässigung aufgewachsen sind, verhalten sich meist nach drei Verhaltensmustern:
- Wiederholung: Sie bemühen sich, in jeder Situation ruhig zu bleiben und unterdrücken ihre eigenen Gefühle. Das kann nicht nur zu Beziehungsproblemen, sondern auch zu schweren psychischen Störungen führen.
- Vermeidung: Sie vermeiden jede Art von Konflikt, wissen nicht, wie sie Emotionen ausdrücken oder darüber sprechen sollen.
- Hyperkompensation: Sie versuchen, das Verpasste nachzuholen, streben danach, die “Seele der Gesellschaft”, der “Kumpel” zu sein, immer der Erste zu sein, auch wenn es albern wirkt.
Eine Überbehütung des Kindes kann zu einem von zwei Szenarien führen. Das erste ist die Suche nach einem Partner, den man beschützen kann, indem man ihm praktisch Vater oder Mutter ersetzt. Das zweite Szenario ist die Wahl eines Partners, der keine übermäßige Fürsorge ausübt. Beide Situationen sind ungünstig, da Familie in erster Linie Verstehen bedeutet, den Wunsch, zu unterstützen und Unterstützung zu erhalten, wenn sie benötigt wird.
Oft sind die Gründe für Widersprüche in einer Partnerschaft die großen Unterschiede der Familien, in denen die Partner aufgewachsen sind. Zum Beispiel möchte der Mann seine Frau in allem kontrollieren, weil das für ihn die gewohnte Verhaltensweise aus seiner Kindheit ist (sein Vater tat das so). Die Frau hingegen sieht darin Eifersucht, weil ihr Freiheit und Vertrauen wichtig sind.
Väter und Töchter
Der Vater prägt bei einem Mädchen die ersten Vorstellungen von Zärtlichkeit und Weiblichkeit. Wenn der Vater liebt, aber gleichzeitig Freiraum lässt und das Recht gibt, eigenständige Entscheidungen zu treffen, trägt das zur Selbstsicherheit bei. Das Kind wurde in seinen Unternehmungen nicht eingeschränkt; es wuchs in dem Wissen auf, dass, sollte etwas passieren, es auf Unterstützung zählen kann. Im Erwachsenenalter kann ein solches Mädchen Liebe und Zuneigung annehmen, und die Fürsorge eines Mannes wird von ihr nicht als etwas Ungewöhnliches empfunden.
Töchter von Vätern, die mit ihren Emotionen geizig sind, haben hingegen Angst vor Gefühlen, die ihnen entgegengebracht werden. Sie denken, dass man sich gute Behandlung verdienen muss. In ihrer eigenen Familie wählen diese Frauen die Rolle einer ewigen Dienerin, die die Interessen des Partners über ihre eigenen stellt und sich ständig selbst zurücksetzt. Das führt zur Abwertung und wird oft zur Ursache von Depressionen.
Mütter und Söhne
Seit der Geburt ist die Mutter das ideale Frauenbild im Verständnis eines Jungen. Um aus ihm eine gesunde Persönlichkeit, einen echten Mann zu machen, muss man Überbehütung vermeiden, sollte jedoch keine Hemmungen haben, Gefühle zu zeigen. Die Praxis zeigt, dass von der Mutter emotional vernachlässigte Männer doppelt so häufig unter psychischen Problemen leiden, insbesondere an Borderline-Störungen. Umgekehrt führt die Kontrolle über jeden Schritt des Sohnes und das Bestreben, ihn vor jeder Erschütterung zu bewahren, zu einem ängstlichen, unsicheren Menschen mit zahlreichen Phobien.
Schlussfolgerung
Oft beeinflussen Eltern, ohne es selbst zu merken, die spätere Wahl des Lebenspartners durch ihre Kinder. Die Bilder, Verhaltensweisen und, wenn man so will, Muster, die in unseren Köpfen in der frühen Kindheit verankert sind, hindern uns daran, potenzielle Partner und unsere eigenen Bedürfnisse klar zu beurteilen. Um eine gesunde Beziehung und eine glückliche Familie aufzubauen, sollte man sich auf persönliche Werte und Überzeugungen stützen und sich dabei von den in der Kindheit gesehenen Beispielen distanzieren.